Grundwehrdienst2

Auf einem der wenigen Heimaturlaube

Da ich zu dieser Zeit noch über keinen eigenen fahrbaren Untersatz verfügte, war ich für die Heimreise auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Das war zum einen teuer, da es damals noch keine Freifahrten gab und man nur leichte Verbilligungen mit einer Arbeiterrückfahrkarte erzielen konnte; zum anderen waren die Verbindungen von Bus und Bahn in unseren Zonengrenzsack Lüchow-Dannenberg denkbar schlecht, so daß immer eine Tagesreise daraus wurde. Deshalb war ich dann im ersten Vierteljahr nur einmal zu Hause und im restlichen Jahr insgesamt viermal auf Heimaturlaub.

Stubenzirkus, 30 Jahre früher ...

… und während unserer Ausbildung.
(„Noch Fragen?“)

Der lockerer Waffenumgang während unserer Wehrdienstzeit ruft bei den heutigen Bundeswehrangehörigen immer wieder ungläubiges Staunen hervor. Dabei war es für uns völlig normal, daß wir alle unser G3-Sturmgewehr mit 5 Magazinen – jederzeit griffbereit – im Stubenspind hatten und jede Gruppe zusätzlich über ein MG1 (modifiziertes Kriegs-MG42) und eine 40mm-Panzerfaust verfügten, die offen auf irgendeinem Schrank in der Stube positioniert waren. Begründet wurde dies damit, daß bei einem Blitzüberfall aus dem Osten für eine Waffenausgabe keine Zeit mehr bliebe. Der “kalte Krieg” ließ grüßen.
Erst nach dem Überfall auf das Bundeswehrdepot Lebach im Januar 1969, wurde die Vorschriftenlage für die Waffenaufbewahrung erheblich verschärft.

Gute Miene zum bösen Spiel.

Noch waren wir fröhlich gestimmt in unserem Schützenloch, daß ich gemeinsam mit dem Funker Schade bezogen hatte. Die Stimmung schwand aber bald als wir erfuhren, daß wir demnächst von einem Panzer übungsmäßig überrollt werden sollten.

Gruppe mit Flak-Panzer M42 Duster
(und den Funkern Bruhns, Damm, Schade, Kruse, Wargenau, Kracht, Boysen, Kahl und Freitag)
Den Panzer hatte man, mit der dazugehörigen Besatzung, extra für diese Überrollaktion
aus der Rendsburger Rüdel-Kaserne herangekarrt.)

Die Rüdelkaserne in Rendsburg
(Sitz der FlaRak)

Kameradschaftsabend …
(mit den Gruppenführern Uffz Tams und Uffz Jans)

Die beiden Gruppenführer tragen hier schon stolz ihre Reservistenhüte. Sie signalisieren damit, daß für sie das letzte Vierteljahr ihrer Dienstzeit eingeläutet ist.

Auf Feldposten
(Der Autor im Einsatz bei minus 8 Grad Celsius.)

Mein G3 war nicht nur uralt, sondern auch das einzige Exemplar in der Ausbildungskompanie, das noch ein Klappvisier hatte. Alle anderen waren schon mit dem modernen Diopter/Drehtrommelvisier der Firma Heckler & Koch ausgerüstet. Dementsprechend katastrophal verlief dann auch das erste Schulschießen für mich. Als ich beim 2. Durchgang immer noch keinen Treffer erzielt hatte, warf sich der Zugführer des III. Zuges, Feldwebel Janowski, neben mich auf die Schießmatte mit den Worten: „ Na, geb´n Se mal her!“ Nachdem auch er mehrere “Fahrkarten” (0 Treffer) hintereinander geschossen hatte, knurrte er nur: „Lassen Sie sich schnellstens ´ne neue Knarre verpassen!“ Das Thema erledigte sich aber mit dem baldigen Wechsel zur Einsatzkompanie von selbst, denn dort wurden wir neu bewaffnet

Vollzähligkeitsappell
(frustrierendes Warten auf das Kommando zum Raustreten)

Vollzähligkeitsüberprüfung der Ausrüstung laut STAN (Stärke- und Ausrüstungsnachweis BW) lautete die offizielle Bezeichnung dieser Zirkusveranstaltung. Für uns Rekruten bedeutete das: Den gesamten Spindinhalt auf eine ausgebreitete Decke packen; Decke zu einem Bündel verknoten; sich damit auf Abruf in den Flur begeben; dort alles wieder auf der Decke geordnet ausbreiten; auf den Unteroffizier mit der Liste warten und jeden Gegenstand auf Verlangen vorzeigen; dann Anschiß abholen wegen Fehlens oder schlechter Pflege; Zusammenpacken; Spind einräumen und auf Spindkontrolle warten. Alles in allem Streß ohne Ende, nur unseren Ausbildern schien das irgendwie Spaß zu bereiten. Wohl nur deshalb, wurde dieser Affenzirkus des öfteren wiederholt

Oberleutnant Vater, Chef der Ausbildungskompanie
(hier bei der offiziellen Eröffnung des Kompanieballes)

Ein Kompaniefest bzw. Kompanieball (weil auch Damen eingeladen werden durften) bildete den feierlichen Abschluß der Grundausbildung. Hierzu wurde der Mannschaftsspeisesaal auf dem Kasernengelände üppig mit Tarnnetzen dekoriert. Das sah zwar urig aus, stank dafür aber bestialisch. Die Dinger waren ja eigentlich auch nur für den Außeneinsatz gedacht – den Geruch habe ich noch heute in der Nase, wenn ich daran denke. Das Organisationskomitee setzte sich zu gleichen Teilen aus Rekruten und Ausbildern zusammen. Ich gehörte der Redaktion an, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, eine sogenannte Bierzeitung zu erstellen. Außerdem war ich Mitglied der “Infantristik-Girls”, einer Travestie-Tanzgruppe, die unter der Choreographie von Uffz Lindenau, eigens für diese Veranstaltung ins Leben gerufen worden war.

Die Bierzeitungsredaktion beim Vortrag
(linksaußen, neben mir stehend, der Uffz Lindenau)

Teil unserer Gruppe mit Dame
(von links: Arthur Kruse, Jo Kracht, Holger Kahl, Dirk Boysen mit Freundin und Willy Schade)

Die „Infantristik-Girls“ mit einem feurigen Cancan
(… das war der absolute Hit des Abends)

Zwölf Mann, von Uffz Lindenau ausgewählt und im Schnelldurchlauf tanz- und kostümtechnisch auf frivole Damen getrimmt, waren der Höhepunkt des Festes. Immer wieder wurden Zugaben verlangt. Die Kostümierung war an sich sehr einfach und wurde mit bordeigenen Mitteln bewerkstelligt. Der Stahlhelm als Kopfbedeckung, war mit einem Tarnnetz versehen, an dem wir selbstgebastelte Blumen aus Krepp-Papier befestigt hatten. Am inneren Helmrand wurden als Perückenersatz Jutefasern festgeklebt. Zur Brustdemonstration mußten 2 Paar zusammengerollte Socken herhalten, die mit Sicherheitsnadeln am Unterhemd befestigt waren. Über die kurze Unterhose wurde dann das lange Olivhemd gezogen und mit dem Lederkoppel fixiert. Wechselweise Fußbekleidung mit Kampfstiefeln und Schnürschuhen vervollständigten die Aufmachung. Die Sonnenbrille sollte ein wenig zur Tarnung beitragen.

Leutnant Gärtner – unser Zugführer
(… ich und der Leutnant!)

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